Kein Naturschutz: EU mahnt Deutschland ab (TAZ 19.02.19)

Vieltaz 🐾 dienstag, 19. februar 2019

Die Deutschen, die auf den Schlendrian anderer EU-Staaten verweisen, stehen nun selbst am Pranger

Von Bernhard Pötter

Beim Naturschutz verliert die EU-Kommission die Geduld mit Deutschland. Weil die Bundesrepublik seit Jahren Hunderte von geschützten Naturregionen nicht nach EU-Recht ausweist, hat die Kommission nun ein Vertragsverletzungsverfahren vorangetrieben und den nächsten bösen Brief nach Berlin geschickt. „Deutschland hat es versäumt, innerhalb der vorgeschriebenen Fristen 787 von 4.606 Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung als besondere Schutzgebiete auszuweisen“, erklärte die Kommission Ende vergangener Woche. Verzögert Deutschland weiter die Umsetzung von EU-Recht, könnten am Ende Strafzahlungen in Millionenhöhe stehen.

Bei der Auseinandersetzung geht es nicht nur darum, wo welche Schilder auf Schutzgebiete hinweisen oder welche Wiese wie oft gemäht wird. Im Zweifel kann die Anmeldung als sogenanntes „Natura 2000“-Gebiet schwerwiegende politische Folgen haben: Der umkämpfte Hambacher Forst im rheinischen Braunkohlerevier etwa wurde im Oktober 2018 nur deshalb in letzter Sekunde vor der Rodung gerettet, weil das zuständige Gericht erst eine Klage des Umweltverbands BUND entscheiden wollte. Der BUND ist der Meinung, die NRW-Landesregierung habe es versäumt, den „Hambi“ als Schutzgebiet auszuweisen – also genau das, was die EU-Kommission nun für Hunderte von anderen Gebieten moniert.

Seit 1992 gilt in der EU die „Fauna-Flora-Habitat“-Richtlinie, mit der besondere Lebensräume geschützt werden sollen, um die biologische Vielfalt zu sichern. Es geht nicht um Wildnis, sondern um Kulturlandschaften wie Wiesen, Äcker oder Wälder. Auf einer europaweiten Liste werden solche Gebiete gemeldet. Die Mitgliedsstaaten müssen dann innerhalb von sechs Jahren Maßnahmen „zur Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der geschützten Arten und Lebensräume“ nachweisen, sehen die Regeln der EU vor.

Diese Frist ist für die angemahnten 787 Gebiete seit 2009/10 abgelaufen. Schon 2015 mahnte Brüssel zur Eile; Deutschland versprach Besserung bis Ende 2018, „was bereits eine erhebliche Verzögerung gegenüber der rechtlich verbindlichen Frist darstellt“, wie eine Sprecherin der Kommission gegenüber der taz bemerkt. Aber daraus wurde nicht viel. Ausgerechnet die Deutschen, die gern auf den angeblichen Schlendrian anderer EU-Staaten verweisen, stehen nun mit Italien und Bulgarien wegen Nichtstun am Pranger. „Die Kommission erwartet daher, dass die noch ausstehenden Unterschutzstellungen ohne weitere Verzögerung erfolgen werden“, erklärte die Sprecherin. Das wird nicht einfach. Denn obwohl der Bund die Prügel aus Brüssel einsteckt, liegt die Verantwortung bei den Bundesländern. Sie halten die Vorgaben nicht ein, weil ihnen Personal und politischer Wille fehlen, monieren Kritiker aus den Umweltverbänden. So müssten die Pläne zur Bewirtschaftung transparenter sein, damit Bauern und Eigentümer besser wissen, was sie tun sollen, erklärt das Bundesumweltministerium. Auch sei oft nicht klar, welche Arten in diesen Gebieten wie geschützt werden sollten oder wie die Flächen überhaupt juristisch gesichert seien.

„Das ist seit Jahren eine riesige Baustelle“, sagt Magnus Wessel, Naturschutzexperte beim BUND. Thüringen und Baden-Württemberg strengten sich inzwischen an, Niedersachsen aber habe den Prozess lange verzögert. „Es geht um Regeln, wie viel in diesen Kulturlandschaften gedüngt oder Holz geschlagen werden darf, wie oft gemäht wird oder wie viel Wasser in Feuchtgebieten steht“, so Wessel. Die Umweltverbände BUND und Nabu wollen im Frühjahr eigene Analysen zu den „Natura 2000“-Gebieten vorlegen. Europaweit fordern sie bei der Reform der EU-Agrarpolitik, die jährlich etwa 60 Milliarden Euro verteilt, einen eigenen Topf für diese Aufgaben. „Insgesamt wären dafür 12 Milliarden Euro nötig“, so Wessel.

Sollte Deutschland wegen der fehlenden Ausweisung der Gebiete tatsächlich irgendwann wegen der Verletzung von europäischem Recht verurteilt werden, könnte das teuer werden. Nach Angaben aus dem Bundesumweltministerium wären „ein Pauschalbetrag von mindestens 11,83 Millionen Euro sowie ein Zwangsgeld von bis zu 861.000 Euro für jeden weiteren Tag bis zur Beendigung des Verstoßes möglich“. Dabei sei „zu beachten, dass diejenige staatliche Ebene für entsprechende finanzielle Sanktionen haftet, in deren Verantwortungsbereich die Pflichtverletzung fällt.“ Mit anderen Worten: Wenn die Bundesländer ihre Hausaufgaben nicht machen, sollen sie auch dafür zahlen.

Mich langweilt das nur noch! (Leserbrief Gießener Anzeiger 13.02.19)

Mich langweilt das nur noch!

Zum Thema „Haushaltsstreit in  Fernwald“: Wo sind sie hin … – die „Fernwalder Verhältnisse“ in der Kommunalpolitik? Vor Jahren haben uns die Kreiskommunen noch um das sachliche, ko­oper­ative Verhältnis der Politikerinnen und Politiker ver­schiedenster Farben im Fernwalder Parlament beneidet – heute kann man den Kreisteil der Zei­tung nicht mehr aufschlagen, ohne ab­ge­druck­te Pressemitteilungen der Parteien lesen, ohne über gegenseitige persönliche Angriffe den Kopf schütteln oder sich über Dienst­auf­sichts­beschwerden oder sogar Strafanzeigen ärgern zu müssen. Was soll das? Geht es um die Sache? Oder sind es längst nur noch persönliche Fehden nach dem Motto „wie Du mir, so ich Dir“ oder „Auge um Auge…“. Das gesellschaftliche Motto „in Fernwald reden wir nicht übereinander, sondern miteinander“ betrifft jedenfalls nicht die Politik. Mich als kommunalpolitisch- inter­es­sier­ten Bürger langweilt das nur noch. Nein: Es stößt mich ab und ich bin es leid. Ich wer­de das machen, was ich eigentlich nie wollte: Ich wer­de mich nicht mehr für Kommunalpolitik inter­essier­en, sondern nur noch egoistisch danach schauen, was mich ganz persönlich betrifft.

Die neue Sachlichkeit der SPD

Kritik der Opposition am Bürgermeister und am Gemeindevorstand ist in der Demokratie nicht ungewöhnlich. Ebenso ist es normal, dass die den Bürgermeister tragenden Fraktionen die Opposition dafür nur allzu gern rügen. Nicht immer geht es dabei sachlich zu. Mit einer Presseerklärung, die in den Gießener Zeitungen am 31. Januar 2019 veröffentlicht wurde, ist es der SPD nun gelungen, einen Pflock einzurammen und ein neues Niveau an Sachlichkeit zu erreichen, das wohl für längere Zeit nur schwerlich zu unterbieten sein wird.

Der Vergleich des Fraktionsvorsitzenden der Grünen mit einem lernunwilligen Schüler, „der den im Unterricht vermittelten Stoff nicht verstanden hat und dafür die Verantwortung beim Lehrer sucht“ ist wirklich gut gelungen und zeugt von intimer Kenntnis Fernwalder Strukturen. Fragt sich nur, wer aus Sicht der Sozialdemokraten den Part des „Lehrers“ übernimmt, vielleicht Gerd Espanion, oder doch Herr Bürgermeister?

Die Darstellung der SPD, dass die Haushaltssituation noch vor dem Jahreswechsel mit den Fraktionsvorsitzenden besprochen und diskutiert worden sei, wobei man Einigkeit darüber erzielt habe, den Haushalt noch nicht im alten Jahr einzubringen, geht schon deswegen fehl, weil nun ausgerechnet unser Fraktionsvorsitzende nicht an dieser Sitzung teilnehmen durfte, da Herr Bürgermeister Bechthold Herrn Voigt zwei Stunden vor Beginn der Veranstaltung ausladen ließ. Herr Bürgermeister zeigte sich verärgert über eine Presseerklärung.

Überdies hätte ein Blick in die Hessische Gemeindeordnung (HGO) die Situation klären können: Der bereits von der Gemeindevertretung beschlossene Haushaltssatzung soll spätestens zum 30. November des Vorjahres der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden, heißt es in §97 Absatz 4 der HGO. Falls dies nicht ratsam gewesen sein mag, wäre es immer noch Aufgabe des Gemeindevorstands gewesen, darüber zu beschließen.

 

 

 

SPD und Grüne und Clinch (Gießener Anzeiger 31.01.19)

Gießener Anzeiger vom 31.01.2019
Vergleiche dazu auch den Beitrag „Die neue Sachlichkeit der SPD“.

Fernwalds Kommunalpolitiker streiten über Finanzsituation der Gemeinde / Sozialdemokraten: Sachebene verlassen

FERNWALD (red/ebp). Nach der Kritik der Fernwalder Grünen an Bürgermeister Stefan Bechthold meldet sich nun der SPD-Ortsverein in einer Pressemitteilung zu Wort. Darin heißt es: Die Grünen sind weder „in der Lage, auch nur ansatzweise konstruktive Lösungsansätze zu entwickeln“ noch die finanzielle Situation der Gemeinde zutreffend einzuschätzen.

Hintergrund der Streitigkeiten sind Ausfälle im Bereich der Gewerbesteuer, nachdem ein in Annerod ansässigen Unternehmen verkauft wurde und der Hauptfirmensitz sich dadurch nach Nordrhein-Westfalen verlagert hat. Fernwald musste daraufhin 1,4 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen zurückzahlen und für 2019 mit deutlich geringeren Zahlen planen, als erwartet (der Anzeiger berichtete mehrfach). Bei den Grünen versuche man „wie schon seit vielen Jahren, den Bürgermeister in ein schlechtes Licht zu rücken“, so die Kritik der SPD.

Das Auftreten des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Prof. Bernd Voigt erinnert, so die SPD Fernwald, ,,an das eines lernunwilligen Schülers, der den im Unterricht vermittelten Stoff nicht verstanden hat und dafür die Verantwortung beim Lehrer sucht“. Die SPD weist darauf hin, dass die seit Ende Oktober 2018 bekannte haushalterische Situation mit den Fraktionsvorsitzenden noch vor dem Jahreswechsel besprochen und diskutiert wurde. Hierbei sei Einigkeit darüber erzielt worden, dass der Haushalt im alten Jahr noch nicht eingebracht werden soll.

Es gebe keine Rechtspflicht des Bürgermeisters zur Vorlage eines Haushaltsentwurfs zu dem von den Grünen geforderten Zeitpunkt. Da der Gewerbesteuerrückgang überraschend eingetreten sei, wäre dies auch „nicht ratsam und sinnvoll“ gewesen.

Kritik am Fraktionsvorsitzenden der Grünen äußert die SPD auch mit Blick auf die beschlossene Änderung der Hauptsatzung. Im Dezember hatte die Gemeindevertretung gegen die Stimmen von Grünen, FDP und Teilen der CDU festgelegt, dass der Gemeindevorstand künftig Grundstücksverkäufe bis zu einem Wert von 450 000 Euro ohne Befragung des Parlaments beschließen kann. Zuvor hatte die Grenze bei 150 000 Euro gelegen. Die Grünen hatten Bechthold in dem Zusammenhang Intransparenz vorgeworfen.

Indem Voigt dies als „Witz“ bezeichnete, mache er „den dilettantischen Umgang der Grünen mit der Rechtslage deutlich“. Die Übertragung per se ebenso wie die Festlegung der Höhe des Betrages sei keinerlei rechtlichen Bedenken ausgesetzt, sondern stelle übliche kommunale Praxis dar. Die geforderte Transparenz sei zudem kein Begriff, den die Hessische Gemeindeordnung verwende. Voigt verfüge „über jede erforderliche Information aufgrund seines höchstpersönlichen Zugangs zum Gemeindevorstand“, so die SPD mit Blick auf Voigts Ehefrau, die im Gemeindevorstand sitzt.

Die Grünen hätten „wie schon so oft, die Sachebene verlassen“ und sollten „sich zunächst mit Vereinbarungen und Fakten vertraut machen“, ehe sie sich zu wichtigen Angelegenheiten der Gemeinde öffentlich äußern. Polemische Betrachtungen würden in der Sache nicht weiter führen, so die SPD.

SPD: Finanzpolitischer Offenbarungseid der Grünen (Gießener Allgemeine 31.01.19)

Gießener Allgemeine vom 31.01.2019
Vergleiche dazu auch den Beitrag „Die neue Sachlichkeit der SPD“.

Fernwald (pm). Die Sozialdemokraten gehen mit den Grünen in einer Pressemitteilung hart ins Gericht: Die Grünen zeigten mit ihren aktuellen Verlautbarungen, dass sie außerstande seien, die aktuelle finanzielle Situation der Gemeinde Fernwald zutreffend einzuschätzen. Sie seien nicht in der Lage, auch nur ansatzweise konstruktive Lösungsansätze zu entwickeln. Hintergrund sei der Ausfall der Gewerbesteuer eines großen in Annerod ansässigen Unternehmens, der Ende Oktober 2018 bekannt wurde. Einzig und allein versuche man, wie schon seit vielen Jahren, den Bürgermeister in ein schlechtes Licht zu rücken.

Die SPD weist darauf hin, dass die seit Ende Oktober bekannte haushalterische Situation mit den Fraktionsvorsitzenden noch vor dem Jahreswechsel besprochen und diskutiert worden sei. Hierbei sei Einigkeit darüber erzielt worden, dass der Haushalt im alten Jahr noch nicht eingebracht werden solle.

Die voreilige und fehlerhafte Einschätzung der Grünen zeige sich schon darin, dass offensichtlich auch nach achtjähriger Tätigkeit in der Gemeindevertretung immer noch keinerlei Grundkenntnisse des Haushaltsrechts vorhanden seien. Bekanntermaßen habe keine Rechtspflicht des Bürgermeisters zurVorlage eines Haushaltsentwurfs zu dem von den Grünen geforderten Zeitpunkt bestanden.

Keine rechtlichen Bedenken

Auch der Umgang mit der Änderung der Hauptsatzung, die der Grünen-Fraktionsvorsitzende Prof. Bernd Voigt in der letzten Gemeindevertretersitzung als »Witz« bezeichnet habe, mache den »dilettantischen Umgang der Grünen mit der Rechtslage« deutlich, so die SPD Fernwald.

Die Grünen übersähen, dass die Übertragung per se ebenso wie die Festlegung der Höhe des Betrages der Grundstücksverträge keinerlei rechtlichen Bedenken ausgesetzt sei, sondern übliche kommunale Praxis darstelle. Die von Voigt in diesem Zusammenhang geforderte Transparenz sei zum einen kein Begriff, den die Hessische Gemeindeordnung (HGO) verwende. Zum anderen verfüge er über jede erforderliche Information aufgrund seines persönlichen Zugangs zum Gemeindevorstand.

Das fehlende Problembewusstsein und die »geradezu augenfällige Hilflosigkeit« im Umgang mit den elementaren Grundbegriffen des Haushaltes ließen für die SPD Fernwald nur den Schluss zu, dass die Grünen, wie schon so oft, die Sachebene verlassen hätten. Die nach Ansicht der Sozialdemokraten polemische Betrachtung durch Voigt führe in der Sache nicht weiter. Die Grünen sollten sich bei wichtigen Angelegenheiten der Gemeinde zunächst mit Vereinbarungen und Fakten vertraut machen und sich erst dann äußern, meinen die Sozialdemokraten abschließend.